Spätbronzezeitliche Urnenbestattungen und eine mit Keramik ausgekleidete Grube am westlichen Stadtrand von Barsinghausen
1. Vorbemerkungen
Im März 2010 wurden im Zuge der Erschließung des Neubaugebietes „Neue Bergwiese“ in der Gemarkung Barsinghausen von Fachkräften der archäologischen Grabungsfirma ArchaeoFirm 11 Sondagen angelegt, die das gesamte Baufeld erfassten. Die archäologische Voruntersuchung wurde durch die Stadtentwicklungsgesellschaft Barsinghausen SGB auf Empfehlung des Niedersächsischen Landesdenkmalamtes für Denkmalpflege NLD aufgrund der topografischen Lage und einiger bekannter Fundstellen in unmittelbarer Nachbarschaft veranlasst, um eine fachgerechte Sicherstellung und Bergung eventuell auftretender archäologischer Substanz zu gewährleisten. Im Zuge dieser Prospektion konnten mehrere neuzeitliche Eingrabungen, spätbronzezeitliche/früheisenzeitliche Gruben und einige stark zerpflügte Urnenbestattungen erfasst und dokumentiert werden.
2. Topographische und naturräumliche Situation
Das Baufeld „Neue Bergwiese“ liegt am westlichen Rand Barsinghausens, direkt am Fuße des Deisters. Das Gelände fällt leicht nach Nord ab und wird im westlichen Bereich von einer Nord-Süd verlaufenden Senke durchzogen, die den ehemaligen Lauf des Bullerbachs kennzeichnet. Das Erschließungsgebiet wird im Süden durch die Rudolf-Hess-Straße und im Norden durch einen Feldweg begrenzt. Westlich und östlich schließen sich landwirtschaftlich genutzte Flächen an.
Naturräumlich liegt das untersuchte Areal mitten im Deistervorland, dass überwiegend innerhalb der Haupteinheit Calenberger Lössbörde zur Hannoverschen Börde gehört. Diese ist geprägt durch eine geschlossene Lössdecke über älteren quartären Ablagerungen. Der Leitbodentyp ist die Parabraunerde aus Löss mit mächtigem humosem Oberboden.
Im Bereich des Bebauungsgebietes „Neue Bergwiese“ schloss sich unterhalb des im Mittel 0,40 m starken humosen Oberbodens die aus Löss bestehende Parabraunerde an, die sehr stark mit Geröllen unterschiedlicher Größe und Kiesen durchsetzt war. Der Boden war in diesem Bereich zusätzlich stark vom witterungsbedingt hohen Grundwasserstand beeinflusst. Die neuzeitlichen und auch die spätbronze-/früheisenzeitlichen Befunde waren in dieses Substrat eingetieft und reichten teilweise mit ihrer Sohle unterhalb einer wasserführende Schicht (Schichtenwasser).
3. Ablauf der Untersuchung
Um das gesamte Baufeld vollständig zu sondieren, wurden insgesamt zehn Ost-West verlaufende Suchschnitte mit einer Breite von fünf Meter angelegt. Ein weiterer Schnitt gleicher Breite verlief in Nord-Süd-Richtung und querte sämtliche Ost-West verlaufenden Sondagen.
Der im Schnitt rund 0,40 m mächtige Oberboden wurde durch einen Kettenbagger mit einem zwei Meter breiten zahnlosen Böschungslöffel abgetragen. Nachdem sich eine Massierung (Häufung) der Befunde im nordöstlichen Bereich des Baufeldes abzeichnete, wurde die zu sondierende Fläche auf den gesamten nordöstlichen Bereich des Baufeldes ausgedehnt.
Sämtliche Befunde wurden auf Höhe von Planum 1 mittels Totalstation Leica TS 02 lagegenau eingemessen, fotografisch dokumentiert und beschrieben. Die darauffolgenden Arbeitsschritte umfassten einerseits die Anlage von Profilen und andererseits, bei komplexeren Befundstrukturen, die Erstellung weiterer Zwischenplana. Sämtliche Profile wurden fotografisch und zeichnerisch (M 1:20) erfasst sowie beschrieben.
4. Befunde
Die Mehrheit der Befunde datiert in die späte Bronzezeit bzw. frühe Eisenzeit. Einige Eingrabungen sind neuzeitlichen Ursprungs.
4.1. Die Urnenbestattungen
Im nordöstlichen und östlichen Bereich der sondierten Fläche konnten zwei durch den Pflug schon stark in Mitleidenschaft gezogene Urnenbestattungen freigelegt werden. Von beiden Urnen waren nur noch die Böden mit teilweiser aufgehender Wandung in situ erhalten. Unterhalb der Gefäße konnte in beiden Fällen ein größerer Stein beobachtet werden auf denen die Urnen jeweils abgestellt waren.
Im weiteren Umfeld der Urnenbestattungen fanden sich weitere Holzkohlereste und Keramikscherben sowie bei einem Befund noch geringe Leichenbrandreste. Diese Überreste wurden durch den Pflug in nordöstlicher und nordwestlicher Richtung verzogen und großflächig verteilt.
Einige Befunde lassen sich nur sehr unsicher als Urnenbestattungen ansprechen. Innerhalb leichter Bodenverfärbungen konnten in allen Fällen Konzentrationen großfragmentierter Keramik dokumentiert werden, die möglicherweise von schon vollständig durch den Pflug zerstörten Urnen stammen.
4.2. Die Gruben
Im Verlauf der Ausgrabung konnten insgesamt acht spätbronzezeitliche/früheisenzeitliche Gruben dokumentiert werden, von denen fünf nur allgemein als Siedlungsgruben bezeichnet werden können.
Flach muldenförmig eingetiefte Gruben liegen direkt südöstlich und südwestlich einer zerstörten Urnenbestattung. Beide Grubenbefunde enthielten in ihrer Verfüllung eine hohe Holzkohlekonzentration und wenig kleinteilige Keramik. Da das umgebende Substrat beider Gruben keinerlei Hitzeeinwirkungen zeigt, handelt es sich hier nicht um ehemalige Verbrennungsplätze oder Feuerstellen. Vielmehr scheinen hier die schon erkalteten Verbrennungsrückstände in beide flachen Mulden eingefüllt worden zu sein.
Im nordwestlichen Bereich der Sondage 11 hob sich auf Höhe von Planum 1 eine kreisrunde Verfärbung mit einem Durchmesser von 2,30 m vom umgebenden Substrat ab. Nach dem Abtiefen innerhalb der einzelnen Quadranten zeigte sich eine mehrphasige Verfüllung der ursprünglich kesselförmig in den Boden eingetieften Grube. Entlang der Grubensohle zog sich ein hellgraues, stark mit Holzkohle durchsetztes Lehmband. Da der darunter anstehende Löß keine Brandrötung aufwies, scheint die Holzkohle erst in erkaltetem Zustand eingefüllt worden zu sein. Oberhalb des Lehmbandes schließt – v. a. im äußeren Grubenbereich – ebenfalls ockerfarbener Löß an, der anscheinend eingespült wurde. Dieser wird wiederum von einem grauen holzkohlehaltigen Band überlagert. In diesem Bereich zeigten sich keine Spuren von Hitzeeinwirkungen. Oberhalb einer weiteren ockerfarbenen Lößschicht konnte ein flächiges Scherbenpflaster freigelegt werden, mit dem die gesamte Grube ausgelegt war. Die dabei verwendeten Keramikscherben sind der Grobkeramik zuzurechnen und können teilweise zu Gefäßeinheiten zusammengesetzt werden. Zwischen und unterhalb des Scherbenpflasters zeigte das Substrat eine rötliche, durch Hitze hervorgerufene, Verfärbung. In diesem Verfüllungsstadium scheint die Grube als Feuer- oder Verbrennungsplatz gedient zu haben. Inwieweit es sich hier eventuell um eine Ustrine handelt, bleibt ungeklärt, da innerhalb der Verfüllung kein Leichenbrand oder weitere zur Bestattung gehörigen Rückstände geborgen werden konnten.
5. Zusammenfassung
Im Zuge der Sondage- und Ausgrabungsarbeiten konnten v.a. im nordöstlichen Bereich der zu untersuchenden Fläche mehrere Befunde dokumentiert werden, die, mit Blick auf die Keramik, der späten Bronzezeit/frühen Eisenzeit angehören.
Drei durch den Pflug stark in Mitleidenschaft gezogene sowie drei vollständig zerstörte Urnenbestattungen weisen das Areal als Urnengräberfeld aus.
Zwei flache, in direkter Nachbarschaft einer Urnenbestattung befindliche Gruben enthielten eine hohe Holzkohlekonzentration. Darin könnten die Verbrennungsrückstände der Bestattung entsorgt worden sein. Da im Bereich dieser Gruben keine Hinweise auf Hitzeeinwirkung beobachtet wurden, scheint die Verbrennung der Toten in einem anderen Bereich stattgefunden zu haben. In Frage käme eine fast vollständig mit Keramik ausgekleidete Grube, deren verfülltes Substrat zwischen und unterhalb des Scherbenpflasters durch Feuer verursachte rötliche Verfärbungen aufwies. Da weder innerhalb noch im direkten Umfeld dieser Grube Reste von Leichenbrand beobachtet wurden, bleibt die Frage, ob hier eine zum Gräberfeld gehörende Ustrine vorliegt, offen.