Hofanlage aus der Römischen Kaiserzeit

Teil einer Hofanlage aus der älteren Römischen Kaiserzeit südlich von Dibbersen

Anlass
Im Zuge der Errichtung der Ortsumgehung Dibbersen (Bundesstraße 75n) wurden im Herbst 2012 mehrere Suchschnitte im Bereich des bereits durch Oberflächenfunde bekannt gewordenen kaiserzeitlichen Siedlungsplatzes FStNr. 63 angelegt und untersucht. Die Voruntersuchung erbrachte wenige Siedlungsbefunde, welche dieses Areal als vermutlichen Siedlungsrand auswiesen und eine flächendeckende Untersuchung notwendig machten, bevor das Bodendenkmal durch die bevorstehenden Erdarbeiten zerstört werden würde.

Lage der untersuchten Fläche
Die Untersuchungsfläche befindet sich im Übergangsbereich zwischen den östlichen saaleeiszeitlichen Endmoränen der Schwarzen Berge und der nordwestlichen Luheheide, auf einem nach Nordosten zu einem Trockental abfallenden Ausläufer des Dangerser Berges.

Die Bodenübersichtskarte (BÜK50, Quelle: http://nibis.lbeg.de/cardomap3/) gibt den Bodentyp in diesem Bereich als einen von Pseudogley-Braunerde unterlagerten Plaggenesch an. Ein Eschauftrag konnte jedoch nicht beobachtet werden. Der heterogene Boden setzte sich überwiegend aus mit Kiesen und Geröllen durchsetzten Fein- und Mittelsanden zusammen. Nach Osten hin ging dieser in einen homogener werdenden, sehr schluffigen Sand über. Die Bodenverhältnisse erwiesen sich als ungünstig, da zum einen durch grobe Substrate das saubere Abziehen des Planums mit dem Bagger behindert wurde und andererseits ständig wechselnde Färbungen, Bioturbationen sowie zahlreiche vorgeschichtliche Baumstandspuren/-wurfgruben das Erkennen der Befunde erschwerten. Außerdem ist davon auszugehen, dass durch neuzeitliche Feldbewirtschaftung die vormals strukturiertere Oberfläche ausgeglichen wurde und Befunde teilweise oder gänzlich abgetragen worden sind.

Befundsituation
Das Langhaus
Im Osten der Untersuchungsfläche wurde ein nahezu West-Ost orientiertes, dreischiffiges Langhaus mit einer erhaltenen Gesamtlänge von 22,53 m nachgewiesen. Es bestand aus noch 18 Pfostengruben und -standspuren (Befunde 22 – 25, 27, 29 – 37, 39 – 42) der beiden dachtragenden Innenpfostenreihen. Wandgräben und -pfosten waren nicht mehr vorhanden.

Die Jochweite zwischen den Pfostenreihen betrug 3,04 m im Westen bis 3,35 m im Osten. Die Pfostenbasishöhen variierten von 92,03 m im Westen bis auf 91,37 m (jeweils über NHN) im Osten. Die Basishöhen der Pfostengruben folgten dem nach Osten abfallenden Gelände. Im Anschnitt zeigten die Pfostengruben und -standspuren unterschiedliche Formen und Maße, wobei trichter- und muldenförmige Profile dominierten. Die Breiten der Standspuren betrugen zwischen 0,25 m und 0,50 m. Der Abstand zwischen den sieben Pfosten der nördlichen Reihe war gleichmäßiger und weiter als der der elf Pfosten der südlichen Reihe. Die Pfosten der beiden Reihen standen sich meist nicht gegenüber. In vier Fällen (Befunde 27, 29, 35, 36) ließen sich in den Pfostengruben auch dunklere Pfostenstandspuren dokumentieren. Im Mittelschiff sind zwei grubenartige Befundreste (Befunde 26, 28) sowie ein kleinerer Pfosten (Befund 38) beobachtet worden. Ob diese in der Nutzungsphase des Langhauses angelegt wurden, konnte nicht geklärt werden.

Es mag weitere zum Komplex gehörende Pfostenbefunde gegeben haben, die so schlecht erhalten waren und sich so schwach abzeichneten, dass sie während des Oberbodenabtrages nicht erkannt werden konnten.

Ein Wirtschaftsgebäude mit Einfriedung
Etwa 4 m westlich des Langhauses befand sich ein Westsüdwest-Ostnordost ausgerichtetes Gebäude (Befunde 19, 46) mit einer Wandgrabenkonstruktion und einem schwach trapezoiden Grundriss. Die Schmalseiten maßen 2,78 m im Westen und 3,38 m im Osten, seine Länge betrug 7,72 m. Auf Höhe des dokumentierten Planums variierten die Breiten der Wandgräben von circa 0,20 m bis zu 0,50 m. Seine erhaltene Tiefe maß im Südosten maximal 0,26 m. Die unregelmäßig gewellten Wandgrabenbasen folgten der Neigung des Geländes und fielen nach Osten hin ab. Eine Pfostenkonstruktion konnte nicht nachgewiesen werden. An der Nordostecke des Gebäudes setzte ein rechtwinklig von dort nach Nordnordwest verlaufender und auf einer Länge von 13,00 m erfasster, bis zu 0,54 m breiter und 0,18 m tiefer Graben (Befund 44) an. Das Verhältnis zu Befund 19 ließ sich weder im Planum noch in den Anschnitten hinreichend erkennen. Es kann angenommen werden, dass es sich bei diesem Graben um die Einfriedung (Zaun, Palisade) einer Hofstelle handelte und diese zeitgleich mit dem Gebäude bestand.

Eine Feuerstelle und Siedlungsgruben
Südöstlich an dem Wandgrabengebäude anschließend befand sich eine ebenfalls rechtwinklig dazu ausgerichtete ovale, bis zu 1,83 m lange Grube (Befund 20). Diese enthielt viel Holzkohle, verbrannte Gerölle und Keramik. Der benachbarte Wandgraben (Befund 19, 46) ist mit dem Substrat aus der Grube verfüllt worden. Auch in diesem Fall konnte weder im Planum noch in Profilen eine zeitliche Abfolge ermittelt werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Grube mitsamt ihrer Verfüllung zu dem Zeitpunkt, als der Wandgraben verfüllt wurde, bereits bestand.

Etwa 1,40 m südlich des Wandgrabenhauses lag eine ovale, Nordwest-Südost orientierte, 3,12 m x 1,73 m messende Feuerstelle (Befund 43). Diese besaß ein wannenförmiges Profil, war bis zu 0,20 m tief erhalten und neben Holzkohleresten mit zahlreichen verbrannten Geröllen verfüllt worden.
Abschließend seien zwei ovale Gruben oder Feuerstellen genannt (Befunde 21, 45), welche sich nur in geringen Resten erhalten haben. Befund 45 befand sich an der westlichen Grenze der Untersuchungsfläche, Befund 21 zwischen den beiden Gebäuden.
Weder bei der sicher angesprochenen Feuerstelle (Befund 43) noch bei den als Gruben oder mögliche Feuerstellen beschriebenen Verfärbungen (Befunde 20, 21, 26, 28, 45) konnten im anliegenden Boden, der die Befunde umgab, lokale Oxidationsprozesse beobachtet werden, die durch hohe Temperaturen verursacht wurden.

Fundmaterial
Im Fundaufkommen überwog die Anzahl der Keramikfragmente (n 238). Weiterhin wurden Brandlehmbruchstücken (n 6), Tierknochenfragmente (n 2) sowie Silices (n 2) geborgen.

Die Keramik entspricht der in der Voruntersuchung bereits aufgefundenen und datiert die Fundstelle in die ältere römische Kaiserzeit. Ein Klingenfragment aus Feuerstein aus der Umgebung der Feuerstelle (Befund 43) ist ein möglicherweise mesolithisches Artefakt. Aus der Feuerstelle (Befund 43) konnte bei der Restbefundausnahme ein unbestimmtes Artefakt geborgen werden, dessen Material, Zweck und Datierung derzeit nicht bestimmbar ist. Es handelt sich dabei um ein flach-halbkugeliges Objekt aus einem dunkelroten Material. Da nicht sicher ist, ob es aus einem der zahlreichen mit Oberboden verfüllten Tiergänge oder aus der Befundverfüllung stammt, bleibt die Zuweisung zum Befund fragwürdig.
Die Untersuchungen der Grabungsfläche, der Befunde, Aushübe und der angr
enzenden Ackerflächen mit einem Metalldetektor erbrachten keine vor- oder frühgeschichtlichen Funde. Diese Tatsache ist relativ ungewöhnlich für eine Siedlungsstelle der römischen Kaiserzeit.

Zusammenfassung
Durch den Neubau der B75n, Ortsumgehung Dibbersen, wurde der Randbereich einer älterkaiserzeitlichen Siedlung angeschnitten.
Bei der zwölf Tage dauernden Hauptuntersuchung konnten zwei Gebäudestrukturen, eine dazugehörende, teilweise erfasste Einfriedung, fünf Siedlungsgruben und eine Feuerstelle dokumentiert werden.