Baubefunde und Bestattungen im Stadtkern von Eldagsen

Spätmittelalterliche und neuzeitliche Baubefunde und Bestattungen aus dem Stadtkern von Eldagsen, Gemeinde Stadt Springe

Lage und Anlass der Untersuchung
Die Stadt Eldagsen liegt in einem kleinen Siedlungsraum, der im Westen und Südwesten an die Höhenzüge Kleiner Deister, Nesselberg und Osterwald stößt. Die Begrenzung nach Norden bildet die Haller, nach Südosten grenzt die Ohe diesen Bereich zum Leinetal hin ab. Im Frühjahr 2013 begann die Neugestaltung des Kirch- und Marktplatzes von Eldagsen, die auch den Neubau eines Abwasserkanales mit einschloss. Dies erforderte ausschnitthafte archäologische Untersuchungen im gesamten Umfeld der St. Alexandri Kirche, die im Zentrum des Baugeschehens lag.

Befundsituation
Insgesamt wurden bei den Arbeiten 413 Befunde dokumentiert, die sich in 57 Bau- und Siedlungsstrukturen und 356 Bestattungen aufgliedern. Da die Aufarbeitung der Funde und eine Analyse des Skelettmaterials noch aussteht, kann an dieser Stelle nur ein grober Überblick gegeben werden.

Architektonische Befunde kamen vorwiegend westlich der Kirche, unmittelbar dem Turm vorgelagert, zutage. Die in der restlichen Ausgrabungsfläche nördlich, östlich und südlich des Kirchenbaues nachgewiesenen Grablegen fehlen hier bis auf eine vereinzelte gestörte Bestattung vollständig. Erfasst wurden Gruben unterschiedlicher Form und Größe, die nur eine geringe Tiefenausdehnung aufwiesen. Hinzu treten Mauer- und Kellerstrukturen aus Bruchsteinen, die als Trockenmauerwerk oder in Kalkmörtel zum Teil mit Ziegelbruch gesetzt waren und der Rest eines Fußbodens aus unregelmäßigen Platten. Eine Dokumentation der bereits stark gestörten Strukturen war größtenteils nur im Planum möglich, was eine abschließende Bewertung vor allem der Gruben nicht möglich macht.

Der Fundamentrest Bef. 27 weist noch eine Länge von knapp 6 Metern auf und dürfte mit Bef. 28 einen rechteckigen Raum gebildet haben. Im Westen wird er durch den aus Trockenmauer errichteten, annähernd quadratischen Keller mit gerundeten Ecken (Bef. 28) gestört. Wenige Meter nördlich schließt sich eine in Mörtel gesetzte kleine Bruchsteinmauer mit rechteckigem Grundriss an (Bef. 21), an die westlich eine Mörtellage ansetzt. Hierbei dürfte es sich wohl ebenfalls um einen Keller handeln. Weitere Fundamentreste rechteckigen Grundrisses fanden sich unmittelbar vor der Südwestecke des Kirchturms und östlich des Befundes 27/28.

Zusammen zeugt die mäßig erhaltene Bausubstanz von einer mittelalterlichen-frühneuzeitlichen Bebauung des nunmehr freien Platzes und es bot sich damit die Gelegenheit, frühere Grabungen zu verifizieren, neu zu vermessen und in moderne Karten einzuarbeiten. Fehlt von den Ausgrabungen der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts auch eine zugängliche Dokumentation, so waren sie doch Gegenstand mehrerer kleiner Abhandlungen von H. Dobbertin. Die südlich des im Zentrum ausgesparten Areals der Teilfläche angetroffenen Mauerzüge und Keller sind somit bereits – wenn auch umfangreicher – in diesen Grabungen erfasst worden. Durch den Autor waren sie einem Burgmannshof „Holtgreve“ zugewiesen worden, der bereits im 13./14. Jh. belegt ist und bis zum Brand von 1626 hier bestanden haben soll. Die anderen Befunde lassen sich hingegen in den Grabungsplänen Dobbertins nicht erkennen, wohingegen die nordwestlich des Kirchturmes erfassten Störungen zweifelsfrei als Kanalisation wiederkehren. Insgesamt ist die Fläche bereits durch besagte frühere Grabungen und Versorgungsleitungen gestört.

Bei Dobbertin finden sich an der Nordwestecke des Kirchturms drei Bestattungen, die dann mit Befund 411 verbunden werden können, der ca. 13 m nordwestlich des Kirchturmes liegt. Damit ist auf der Nordseite der Kirche eine Ausdehnung des Friedhofes über den Turm hinaus nach Westen belegbar.

Mauerstrukturen fehlen hier abgesehen von einem kurzen Abschnitt mit 2,00 m Länge in der Flucht der Kirchennordseite (Bef. 369). Ebenfalls bereits von Dobbertin erfasst wurde ein Maueransatz an der Südwestecke des Kirchenbaues selbst (Bef. 84), der stumpf an den Fundamenten des heutigen Baues angesetzt ist und einer Einfriedungsmauer frühgotischen Alters zugesprochen wird. Entlang der Kirchensüdseite wurden die freiliegenden Sockel der Stützpfeiler neu vermessen, da hier die Spuren eines Umbaues, der zum Verschmälern führte, erkennbar sind, welche sich auch in der aufgehenden Wand abbilden.

Überraschendes zur Baugeschichte des Kirchenbaues hielt die Nordseite bereit. Hier konnte in Höhe des östlichen und mittleren Stützpfeilers eine Mauerstruktur von ca. 1,5 m Mächtigkeit erfasst werden, deren direkter Anschluss an die Kirche aufgrund einer Störung nicht erkennbar war. Orientierung und Ausmaße lassen jedoch an die Fundamente eines Querschiffes denken. Die Mauer ist als Schalenmauerwerk lagenhaft aus Hau- und Bruchsteinen in Kalkmörtel gesetzt, sitzt auf einer ebenso breiten Sohle aus verbundlosen und bindemittelfrei gelegten Bruchsteinen auf und hat eine erhaltene Höhe von ca. 0,5 m. Die Ostseite wird durch den Befund 177 gebildet, der noch bis zu 1,10 m Höhe erhalten ist. Bei der Anlage des Gebäudeteils wurden einige Bestattungen des angrenzenden Friedhofes zerstört (z. B. Grab 241), andere wurden nach dessen Abriss auf den Fundamenten eingebracht (Grab 1 und 31).

Das Friedhofsareal erstreckte sich in der über 1000jährigen Geschichte der Kirche auf der Süd-, Ost und Nordseite um den Bau herum. Dieser lange Zeitraum spiegelt sich in der archäologisch dokumentierten engen Belegung wieder. 1826 wurde der Friedhof auf ein neues Gelände in der Kleinen Wolfskuhle verlagert, nachdem der Magistrat der Stadt zunächst eine Einfriedung zu den strassenseitig gelegten Häusern veranlasst hatte, da es Klagen über die desolaten Zustände auf dem Kirchenfriedhof gegeben hatte, wo die Schweine die Knochen aus der Erde wühlten. Die Gesamtausdehnung konnte auf allen Seiten nicht zweifelsfrei erfasst werden, lediglich im Norden dürfte mit dem Straßenverlauf und der begleitenden Bebauung ungefähr die Grenze erreicht sein. Steriler Boden wurde nur auf der Nordseite im Verlauf der Kanaltrasse erreicht, im äußersten Osten und Süden wurde mit der maximalen Eingriffstiefe noch nicht der fundfreie Horizont berührt. Demzufolge ist die massive Konzentration von Bestattungen auf der Nordseite nur dem Bauablauf geschuldet und bildet nicht die tatsächliche Situation ab. Während im südlichen Bereich Planierungsarbeiten eine größere Untersuchungsfläche boten, wurden im Norden und Osten nur zwei Kanaltrassen von maximal 1,50 m Breite abgetieft und es konnten nur kleinflächige Untersuchungen auf engstem Raum stattfinden.

Die ersten Bestattungen kamen bereits 30 cm unter der Oberfläche zutage. Es handelt sich um Körpergräber in West-Ost- bzw. Nordwest-Südostausrichtung, die christlicher Sitte gemäß beigabenlos niedergelegt wurden, lediglich in Einzelfällen fanden sich Münzen im Grab (z. B. Bef. 79). Die Bestattungen, die das gesamte Spektrum einer Population wiedergeben, wurden auf engsten Raum angelegt, so dass es häufig zu Störungen und Überlagerungen kam, wobei bis zu fünf Lagen sicher nachgewiesen werden konnten. Häufig konnte beobachtet werden, dass die Gebeine der älteren, beschädigten Grablegen als „Knochenbündel“ neu bestattet bzw. die Langknochen quer unter dem Sarg der jüngeren Bestattung niedergelegt wurden. Die Särge konnten häufig nur als braun-humoser Streifen vergangen Holzes oder kleinflächig unter dem Skelett beobachtet werden. Im nördlichen Abschnitt der Kanaltrasse konservierte hingegen das feuchte Bodenmilieu Teile der Holzsärge samt ihrer aufgehenden Wandungen (z. B. Bef. 327). Sargbeschläge und -griffe fanden sich größtenteils nicht mehr in situ. Sofern sie sich noch in originärer Lage befanden, waren die Sarggriffe häufig an den Schmalseiten des Sarges angebracht. Die Toten wurden in Rückenlage in den Särgen niedergelegt. Dabei kamen die Arme entlang der Seiten, mit gefalteten Händen auf der Scham oder verschränkt über der Bauchregion zu liegen.

In dem sehr einheitlichen Bild fallen dennoch einige Gräber auf. So wurden Kindern manchmal Totenhauben beigegeben, die sich durch Textilreste und Reste von Buntmetallapplikationen am Kopf erhalten haben (z. B. Bef. 137, 342). Im Falle von Befund 342 wurde das Neugeborene in den Armen seiner wohl bei der Geburt ebenfalls verstorbenen Mutter bestattet. Der Sarg von Grab 272 an der Nordwestecke der Kirche wurde verkehrt herum, d. h. O-W ausgerichtet in die Grube gelegt. Zu den älteren Grablegen dürften die Gräber 356 und 357 unmittelbar nördlich des Querschiffes zählen, bei denen es sich um Kopfnischengräber handelt.

Zu den bemerkenswerten Grablegen des Areal gehören auch vier Grüfte, die unmittelbar unter der alten Pflasterung im Südosten des Chores aufgedeckt wurden. Während drei von ihnen der allgemeinen West-Ost-Ausrichtung folgen, liegt eine in Nord-Süd-Richtung. Die Gruft 151 direkt an der Chorwand besaß noch eine geschlossene Gewölbedecke aus Ziegeln und wurde unangetastet konserviert. Die drei anderen sind bei Kanalarbeiten zur Dachentwässerung stark gestört worden, die Decken waren eingebrochen und der Raum mit Schutt aus der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts verfüllt. Alle untersuchten Grüfte waren aus Ziegeln gemauert, wobei die aufgehenden Wandungen noch eine Höhe von 1,50 m erreichten. Die Särge waren vollständig vergangen, von ihnen zeugten mehrere besser gearbeitete Sarggriffe, die noch in situ angetroffen wurden. Das Skelettmaterial war stark vergangen und fragil, an Beigaben fanden sich Manschettenknöpfe (152), ein Ehering (150) und eine Schnalle (152). Da die Grablegen wahrscheinlich der Familie von Wedemeyer zuzuschreiben sind, wurden die Grüfte nach Dokumentation ohne Entnahme der Skelette wieder verfüllt.
Die Funde aus den Grablegen, vorwiegend Sargnägel, Sarggriffe, Drapiernadeln, Reste von Totenhauben, Keramikfragmente aus den Verfüllungen und vereinzelte Münzen und Ringe, harren noch der Bearbeitung, lediglich für die Bestattung 387 konnte mit einer gut lesbaren Münze als terminus post quem das Jahr 1766 bereits während der Grabung fixiert werden. Zahlreich sind die auf dem gesamten Areal zum Teil mithilfe eines Metallsuchgerätes geborgenen Lesefunde, bei denen es sich über die bereits erwähnten Fundgattungen hinaus um Buchschließen, Blech- und, Glasfragmente, Textilreste sowie Bruchstücken von Meerschaumpfeifen handelt.

Ein herausragender Lesefund, der in umgelagertem Material westlich der Kirche gefunden wurde, war ein goldener Fingerring. Es handelte sich dabei um einen Bischofsring, der in die 2. Hälfte des 12. Jh. datiert werden kann.

Literatur
H. Dobbertin, Eldagser Grabungsbefunde 1963 bis 1970. Selbstverlag, Springe 1976.
H. Dobbertin, Belege über das bernwardinische Hildesheim und über die Fünfeckanlage in Eldagsen. Selbstverlag, Springe 1980.
H. Dobbertin, Neues zur Pentagonkirche in Eldagsen. Heimatland 5, 1993, 140-143.
F.-W. Wiegmann, 1200 Jahre St. Alexandri zu Eldagsen und St. Nicolai zu Alferde, Leipzig 1996.
S. Agostinetto, T. Poremba, F.-W. Wulf, Die archäologische Untersuchung an der St. Alexandri-Kirche in Eldagsen im Jahr 2013, Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 34, 2014, Heft 4, 156-160