Der Ebstorfer Klosterhof – Eine mittelalterliche Kelleranlage in Lüneburg

Der Ebstorfer Klosterhof – Eine mittelalterliche Kelleranlage in Lüneburg; J. Stammler, I. Wullschläger

In einer nur vierwöchigen Rettungsgrabung durch die archäologische Grabungsfirma ArchaeoFirm unter der Leitung der Archäologin I. Wullschläger M.A. wurden im Juni 2010 die Reste einer gewaltigen Kelleranlage aus dem 14. Jahrhundert freigelegt und dokumentiert. Diese maß ohne einen dazugehörigen Anbau und eine sogenannte „Utlucht“ ca. 11 x 33 m. Anlass für die überraschende Maßnahme war die Überbauung des Geländes durch ein Mehrfamilienhaus mit einer tief gründenen Fundamentierung und damit die aktuelle Zerstörung der noch vorhandenen Substanz des mittelalterlichen Baus.

Der Ebstorfer Klosterhof- Eine mittelalterliche Kelleranlage in Lüneburg

Aufgrund der begrenzten Zeit und eines kleinen Teams musste die Dokumentationsweise den Gegebenheiten angepasst werden. Nachdem der Keller zu großen Teilen per Hand vom Bauschutt befreit worden war, wurden sämtliche Backsteinmauern und Gebäudeelemente in Aufsicht und Ansicht tachy- und photogrammmetrisch aufgenommen und die entstandenen Aufnahmen nach der Entzerrung in den Gesamtplan eingepasst. Zusätzlich wurde in Kooperation mit der Leuphana Uni Lüneburg von der Anlage ein 3D-Laserscan angefertigt. Beides zusammen ermöglicht nicht nur das steingetreue Zeichnen von Profilen und Plana, sondern auch die Rekonstruktion der Gesamtanlage.

Dennoch ließen sich in der eng bemessenen Zeit nicht alle Details klären. So deuten sich mehrere Bauphasen an, die sich aber bisher noch nicht vollständig auflösen ließen. Dies hängt neben starken Überbauungen auch damit zusammen, dass der Keller zum Zeitpunkt der Notgrabung bereits stark nach Osten verkippt und Schichtenwasser eingedrungen war und die Untersuchungen erheblich erschwerte. Dadurch konnten nicht mehr alle Bauelemente bis zu ihrer Basis verfolgt werden. Die Ursache für den Schiefstand nicht nur dieser Kelleranlage, sondern auch vieler weiterer Gebäude in Lüneburg ist in der Geologie und der damit verbundenen Geschichte der Hansestadt zu suchen. Der Altstadtkern liegt zu etwa einem Drittel auf einem oberflächennahen Salzstock, der seit dem Mittelalter abgebaut wurde. Der Abbau und das gleichzeitige und noch andauernde Ausspülen der Salze aus dem Untergrund führten und führen auch heute immer noch zu starken Absenkungen der Oberflächen in Teilen der Altstadt.

Der hier untersuchte Keller mit dem dazugehörigen Hauptgebäude wird in einem Inventar von 1716 als ein dreigeschossiges Speichergebäude mit fünf Kornböden beschrieben, unter dem sich drei große gewölbte Keller und ein langer Vorkeller befanden. Das Fundmaterial bestätigt außerdem die Nutzung der unteren Etagen zu Wohnzwecken. So wurden neuzeitliche Koch- und Essgeschirrfragmente, aber auch Bruchstücke der im Inventar erwähnten grünen und schwarzen Kachelöfen aufgefunden. Die insgesamt etwa 90 Kleinfunde aus Metall unterstreichen die Funktion des Klosterhofes als Handels- aber auch Wohnort. Unter diesen sind ein hochmittelalterliches Messerscheidenortband, neuzeitliche Silber- und Kupfermünzen, ein Münzgewicht, Tuch- und Fadenplomben, Knöpfe, Schnallen, Fingerhüte, ein Kamm, ein Spinnwirtel, eine Buchschließe und weitere Gegenstände des Haushaltes.

Aus der schriftlichen Überlieferung ist bekannt, dass der dokumentierte Keller zu einem Klosterhof gehörte, den das Kloster Ebstorf im Jahr 1355 erworben hat. In Lüneburg waren in mittelalterlicher Zeit elf Klosterhöfe angesiedelt, die sich gürtelartig um die Altstadt legten. Ihre eigentliche Funktion bestand darin, die Klöster mit Gütern jeglicher Art zu versorgen. Daneben waren sie auch Herberge für Klosterangehörige und stellten in Notzeiten einen Zufluchtsort in der Stadt dar.

Mit der archäologischen Untersuchung wird ein wichtiger Beitrag zur Baugeschichte mittelalterlicher Backsteinbauten in Lüneburg geleistet. Gleichzeitig eröffnen die aufgenommenen Daten der Bauforschung weitere Möglichkeiten des Vergleiches mit anderen Klosterhöfen dieser Zeit. Größe und Bauweise der Kelleranlage wie auch die aufgefundenen Kleinfunde verdeutlichen seine Bedeutung als wichtiger Handelsstandort und Wirtschaftfaktor Lüneburgs vom Mittelalter bis in die Neuzeit.

Lit.: Böker, D.: Doris Böker, Hansestadt Lüneburg mit Kloster Lüne. Baudenkmale in Niedersachsen Bd. 22.1. 2010.

Dose, H.: Hanna Dose, Evangelischer Klosteralltag. Leben in Lüneburger Frauenkonventen 1590-1710, untersucht am Beispiel Ebstorf. Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen XXXV, Hannover 1994.