Brottewitz 8 – ein neolithischer Siedlungsplatz mit Brandbestattung

Der Fundplatz Brottewitz 8 liegt 4,5 km nordöstlich von Mühlberg (Elbe) und 12 km westlich von Bad Liebenwerda in einer morphologisch leicht welligen Sanderlandschaft der rechtsseitigen Elbniederung. Die zu untersuchende Fläche erstreckte sich auf einer leicht von Nordost nach Südwest abfallenden Kuppe.Der Boden besteht hauptsächlich aus schluffhaltigen Mittel- bis Grobsanden. Der Bodenaufbau des hier vorherrschenden leichten Podsolbodens (Hartwich 1995, 80-85, Abb. 1,2) wurde durch die rezente Landwirtschaft stark beeinträchtigt. Unter dem zwischen 0,25 und 0,3 m mächtigen Humushorizont schloss sich ein bis zu 0,15 m mächtiger Pflughorizont an, wobei die Pflug- und Bodenmeiselspuren teilweise weitere 0,25 m tief reichten und dadurch die archäologische Substanz erheblich in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Anlass der eigentlichen archäologischen Untersuchung war die Errichtung einer Windenergieanlage im schon bestehenden Windpark Langenrieth im direkten Umfeld des Bodendenkmals Brottewitz 8, eines mittelalterlichen/frühneuzeitlichen Gehöfts. Die Anlage von 5 Suchschnitten sollte im Vorfeld klären, ob sich noch archäologische Substanz im Boden verbirgt. Innerhalb der Sondagen zeigte sich schon ziemlich rasch, dass hier Reste einer Siedlung aufgedeckt wurden. Somit war eine vollständige archäologische Untersuchung der vom Bodeneingriff betroffenen Bereiche unumgänglich.

Befunde und Funde

Von den 192 im Zuge der Untersuchung im Planum erkannten Verfärbungen erwiesen sich nach Profilschnitt 117 als archäologisch relevant. Darunter befanden sich 99 Pfostengruben, 14 Siedlungsgruben sowie zwei Brandgräber.

Entgegen der im Rahmen der denkmalrechtlichen Beauflagung zu erwartenden mittelalterlichen oder neuzeitlichen Befunde traten im untersuchten Areal deutlich Ältere Komplexe auf. Die wenigen geborgenen Funde lassen den Schluss zu, dass es sich dabei um Reste einer Siedlung des 5. Jahrtausends vor unserer Zeit handelt. Aus dem hohen Alter und den Erhaltungsbedingungen des Sandbodens resultiert das Überwiegend blasse Erscheinungsbild der Befunde.

Pfostengruben

Der Durchmesser der Pfostengruben variierte zwischen 0,25 m bis 0,59 m wobei solche im Mittel zwischen 0,28 und 0,4 m Überwiegen. Auffallend war die große Tiefe vereinzelter Pfostengruben, die von 0,5 m bis 0,7 m unter Planum 1 reichten. Diese Pfosten besaßen im Profilschnitt eine V-Form, was auf ein Zuschlagen der Pfosten schließen lässt.

Die lockere Streuung der Pfosten auf der untersuchten Fläche lies keine klare Rekonstruktion von Strukturen zu. Einige Pfostengruppen könnten einen möglichen Gebäudegrundriss von 9,5 x 6 m Kantenlänge und NO-SW Ausrichtung bilden. Eine weitere Pfostenkonzentration erscheint etwas ungewöhnlich und mag auf einen nur teilweise erfassten Hausgrundriss hindeuten.

Gruben

Die Grubenbefunde variieren stark in ihrer Ausdehnung. Im Planum meist oval oder langoval erscheinen sie im Profil meist muldenförmig eingetieft. Das Größenspektrum reicht von 0,8 m x 0,77 m bis zu 1,86 m x 0,9 m in der Horizontalausdehnung mit Tiefen von 0,24 m bis 0,74 m.

Unter den weitestgehend unspezifischen Gruben weißt nur Befund 62 einen ungewöhnlich hohen Anteil an Holzkohle auf.

Alle Gruben zeichneten sich durch Fundarmut aus. Insgesamt erbrachten nur fünf Gruben wenige Keramikfragmente unter denen kaum diagnostische Exemplare zu finden waren.

Mit einer Tiefe von 1,51 m unter Planum 1 (ca. 2 m unter GOK) stellt Befund 50 eine Sonderform unter den dokumentierten Gruben dar. Die Wände der 1,32 m durchmessende Grube[1] schienen leicht verdrückt, was dem Befund im Profil sanduhrförmig erscheinen ließ. Grund hierfür kann eine nicht mehr nachweisbare Auskleidung der Grubenwände mit Flechtwerk sein, die nach dem Nutzungszeitraum und der Verfüllung des Befundes dem Seitendruck des Erdreichs nachgegeben hat. Eine Stabilisierung der Grube durch Korbgeflecht oder andere vergängliche Materialien erschein aufgrund der geringen Stabilität der anstehenden Sande als zwingend gegeben. Vermutlich wurde der Befund als Vorratsgrube angelegt, wobei alternativ auch eine Ansprache als Brunnen möglich scheint, da der Befund in ein Schluffband eingreift, unter dem bei höherem Grundwasserstand mit dem Austritt von Schichtwasser zu rechnen gewesen sein wird. Gegen diese Theorie wiederum sprechen, im Vergleich zu anderen linienbandkeramischen Brunnen (Einicke 1994, 28), sowohl die geringe Tiefe als auch der Aufbau des Befundes (fehlende klare Konstruktionsmerkmale, fehlende Schwemmbänderung im Wassereinzugsbereich).

Gräber

Abseits der eigentlichen Siedlungsbefunde wurden noch Brandgräber aufgedeckt. Das im mittleren Bereich der Zuwegung dokumentierte Brandgrab wurde größtenteils durch die moderne Landwirtschaft gestört. Von der Grabgrube erhielten sich nur schwach erkennbare Reste. Ungefähr 0,5 m südwestlich der ca. 0,75 m durchmessenden Leichenbrandschüttung fanden sich stark zerscherbte Reste eines Beigabengefäßes sowie ein vollständig erhaltener Schuhleistenkeil.

Eine weitere Bestattung am Südostrand der Kranstellfläche war ebenfalls stark zerpflügt. In der nur noch 0,08 m tief erhaltenen Grabgrube lag der Boden einer Urne. Der sich darin befindliche Leichenbrand wurde durch die starke Zerpflügung des Befundes weit verstreut.

Funde

Die Datierung des Fundplatzes in die jüngere Linienbandkeramik/frühe Stichbandkeramik ist aufgrund des spärlich vorhandenen und stark zerscherbten Fundgutes nur anhand der Artefakte des Brandgrabes 7/8 sowie der Funde aus einer im Profilschnitt nicht mehr als Befund erkennbaren Verfärbung, vorgenommen worden.[2] Neben dem für das Frühneolithikum typischen Schuhleistenkeil (vgl. Einicke 1994, 30) deuten die Verzierungselemente des Beigabengefäßes, stichreihengefüllte Ritzlinienfelder, auf die Stufe IV der jüngeren Linienbandkeramik im Elbe-Saale Gebiet hin, absolut also in die letzten Jahrhunderte des 5. Jahrtausends unserer Zeit (nach Kaufmann, vgl. Einicke 1994, 33f.). Ähnliche Zierelemente weist auch die Keramik aus Befund 87 auf. Die wenigen einfachen, teils leicht nach außen gebogene Randscherben (insgesamt 5 Stück) lassen sich daneben plausibel der Typologie frühneolithischer Gefäßformen zuordnen. Typische Silexartefakte der Älteren Jungsteinzeit fehlen dagegen völlig im Fundgut.

Eine deutlich jüngere Datierung weißt das Gefäß des Brandgrabes 115 auf. Die untere Reste einer ehemals vermutlich doppelkonischen Urne als auch die darin gefundenen stark korrodierten Buntmetallreste sprechen für eine bronze-/eisenzeitliche Bestattung, sind allerdings aufgrund der starken Zerstörung durch die Landwirtschaft nicht näher typologisch bestimmbar.

Zusammenfassung

Die im Vorfeld des Windanlagenbaus nur kleinräumig erfasste Siedlung der jüngeren Linienbandkeramik/Stichbandkeramik zählt zu den wenigen Fundplätzen im Elbe-Elster-Gebiet des Landes Brandenburg. Konzentrationen bandkeramischer Siedlungen finden sich in Brandenburg, schon aufgrund der Zugänglichkeit zu scharf spaltbarem Rohmaterial für Steinwerkzeuge als auch der fruchtbaren Böden wegen, bevorzugt in den Moränenlandschaften des Flämings und der Uckermark. Die hier untersuchte Siedlung ist, betrachtet man das Verbreitungsgebiet über die Landesgrenzen hinweg, eher der linienbandkeramischen Besiedlung des Elbtals zuzuordnen. Eine Besonderheit jüngerbandkeramischer Siedlungsentwicklung, zeigt sich in der Tendenz, die fruchtbaren, hochwassergeschützten, mittleren Hanglagen zu verlassen und den Bereich der Talauen größerer Flüsse zu erschließen (Cziesla 2008/2010, 413ff.).

Die dokumentierten Pfosten und Siedlungsgruben waren Teil einer solchen Siedlung. Das Fehlen zusammenhängender Hausgrundrisse war dabei dem ausschnitthaften gewonnen Einblick geschuldet. Besonders das Pfostenkonglomerat in der Zuwegung der Fläche hat Potential, Teil eines der typischen Langhäuser des älteren Neolithikums zu sein. Art und Erhaltung der Siedlungsgruben entsprach der Befunderhaltung ähnlicher Siedlungen. Mit Ausnahme der Vorratsgruben, vertreten durch Befund 50, ist die fehlende funktionelle Ansprechbarkeit der Siedlungsgruben nicht ungewöhnlich (vgl. Einicke 1994, 29). Außergewöhnlich scheint dagegen die Bestattung (Befund 7/8) zu sein. Zwar stellen Brandbestattungen nicht die Regel in den bekannten neolithischen Gräbern dar, hier dominiert die Körperbestattung in Hockerposition, kommen jedoch allgemein und speziell auch innerhalb von Siedlungen vereinzelt vor (Veit 1996, 93f.). Es ist somit unklar, inwieweit nordwestlich des untersuchten Gebietes weitere Brandgräber zu erwarten sind und ob es sich um einen separaten Nekropolenbereich handelt oder ob es als Einzelphänomen zu betrachten ist.

Daneben ist das zweite Brandgrab, in dem sich auch Buntmetallreste fanden, Indiz eines möglicherweise Bronze- oder eisenzeitlichen Brandgräberfeldes, das sich südöstlich der untersuchten Fläche weiter ausdehnen.

Literatur

Cziesla 2008/2010: E. Cziesla, Zur bandkeramischen Kultur zwischen Elbe und Oder. Germania 86-2, 2008, 2010, 405 – 464.

Einicke 1994: R. Einicke, Linienbandkeramik. In: Beier, H.-J. und R. Einicke (Hrsg.), Das Neolithikum im Mittelelbe-Saale-Gebiet und in der Altmark. Eine Übersicht und ein Abriß zum Stand der Forschung. Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas 4 (Wilkau-Hasslau 1994) 27 – 47.

Hartwich 1995: R. Hartwich, Zur Abgrenzung der Bodenlandschaften Brandenburgs auf Grundlage quartärgeologischer Landschaftseinheiten. In: Brandenburgische Geowissenschaftliche Beiträge 2 (Kleinmachnow 1995), 79-88.

Stackebrandt/Manhenke/Lippstreu 2010: W. Stackebrandt, V. Manhenke, L. Lippstreu, Geologie und Geopotenziale in Brandenburg. Zur geologischen Position Brandenburgs. Brandenburg – Landescharakter und geologischer Bau. In: Atlas zur Geologie in Brandenburg (aktualisierte Auflage 2010), Onlineressource: https://www.geobasis-bb.de/geodaten/lbgr/4_geoatlas.htm [09.02.2016].

Veit 1996: U. Veit, Studien zum Problem der Siedlungsbestattung im europäischen Neolithikum.

Tübinger Schriften zur ur- und frühgeschichtlichen Archäologie 1 (Münster/New York 1996).

 

Endnoten

[1] Auf Planum 3 ca. 1,1 m unter Planum 1.

[2] So möglich wurden daher 13 Holzkohleproben für eine spätere 14C-Datierung den Befunden entnommen.