Besiedlungskontinuität in Groß Fredenbeck

Besiedlungsspuren von der Römischen Kaiserzeit bis zur Völkerwanderungszeit in Groß Fredenbeck

Einleitung
Bei Erschließungsarbeiten für ein Wohngebiet der Samtgemeinde Fredenbeck wurden in den 1990er Jahren Teile einer Siedlung der Völkerwanderungszeit dokumentiert. Bei der Fortsetzung dieser Erschließung durch einen Privatinvestor auf dem östlich anschließenden Acker wurden daher zuvor mehrere Sondagen angelegt, um das vorgeschichtliche Siedlungsareal einzugrenzen. Anschließend erfolgte die archäologische Untersuchung der betroffenen Fläche in der NW-Ecke des Baufeldes unmittelbar anschließend an das bereits untersuchte Wohngebiet.

Die Untersuchungsfläche liegt in einer Senke auf rund 20 m ü NN, nach S steigt das Gelände um rund 1,00 Höhenmeter leicht an. In einem Bogen von Süd nach Nord fließt rund 300 m entfernt der Deinster Mühlenbach entlang, im Norden verläuft der Alte Stadtweg von Fredenbeck Richtung Deinste.

Fredenbeck liegt innerhalb der norddeutschen Geestlandschaft, der anstehende Boden der untersuchten Fläche ist schwach bis stark bindiger Fein- bis Mittelsand mit Fe-Oxyd-Ausfällungen.

Befundsituation
Insgesamt wurden 468 Befundnummern vergeben, 46 davon wurden nach der Profilanlage als Tiergänge oder dünne Restauflagen wieder verworfen. Folgende Befundkategorien waren dabei vertreten: Grubenhäuser, Pfostengruben, Siedlungsgruben, Gräbchen, Brunnen und Wegespuren.

Der Brunnen
Mittig in der Südwest-Hälfte der Fläche liegt der Brunnen Befund 156 mit rund 3,20 m Durchmesser. Der Befund zeichnet sich trichterförmig ab und setzt sich nach unten weiter fort (Abb.1). Er wurde bis auf eine Tiefe von 2,10 m ergraben, auf ein weiteres Abtiefen wurde aus Sicherheitsgründen vorerst verzichtet. Auf rund 1,00 m Tiefe wurden Reste einer 1,50 m durchmessenden einfachen Einfassung aus größeren Feldsteinen dokumentiert.

Die Grubenhäuser
In der Nord-Hälfte verteilen sich vier ost-west-ausgerichtete Grubenhäuser in unterschiedlichem Erhaltungszustand mit Befundtiefen von 0,05 bis 0,25 m.

Bei dem 3,10 m x 2,70 m großen abgerundet rechteckigen Befund 55 ist offenbar nur die Südwest-Hälfte erhalten. Neben der Hausgrube setzen sich ein Wandgräbchen und fünf Pfostengruben in und an diesem Gräbchen ab.

Das am besten erhaltene Grubenhaus ist der 3,80 m x 3,00 m große, abgerundet rechteckige Befund 70 mit einem umlaufenden Gräbchen und 15 Pfostengruben im Gräbchen und im Innenbereich. Unterhalb der Verfüllung setzen sich im Südost-Viertel elf Staken in zwei ost-west-ausgerichteten Reihen als Reste einer Konstruktion ab. An der Südost-Ecke des Grubenhauses liegt eine flache Brandgrube, aus der ein Gräbchen in einem Bogen in Richtung der Südwest-Ecke von Befund 70 verläuft.

Das Grubenhaus Befund 345 ist nur noch als 2,30 m x 2,10 m großer, abgerundet rechteckiger, flacher marmorierter Rest mit je einem Pfosten an der Ost- und Westseite erhalten.

Befund 333 setzt sich dagegen sehr deutlich als 2,60 m x 2,90 m große, abgerundet rechteckige Hausgrube mit je drei Pfostengruben an der Ost- und Westseite und einer langovalen flachen Grube an der Nordseite unter der Hausgrube ab.

Eine weitere Hauskonstruktion stellt Befund 220 dar, der sich als rechteckiges Wandgräbchen mit je drei Pfostengruben an den Schmalseiten im Osten und Westen erhalten hat. Die Fläche beträgt 2,70 m x 3,50 m. An der Ostseite liegt zudem eine sehr flache, schwarz verkohlte Brandgrube auf dem Gräbchen. Im Inneren des vom Gräbchen umschlossenen Bereiches befindet sich eine leicht nach Norden versetzte, 0,50 m durchmessende Grube bzw. Pfostenstellung mit zwei HK-haltigen Schichten in der Verfüllung.

Befund 20 ist eine 3,55 m x 2,50 m große, E-förmige, nach Osten offene, zweischiffige Gräbchenkonstruktion mit zwei Pfostengruben an der Westseite. Möglicherweise gehört dieses Gräbchensystem zu einem Langhaus. Es befinden sich mehrere deutliche Pfostengruben in der Umgebung.

Die Siedlungsgruben
Neben flachen Brandgruben wie Befund 307 oder 295, sehr keramikhaltigen Abfallgruben wie Befund 270 oder 358 wurden auch zwei Gruben, die offenbar als Steinlager genutzt wurden, dokumentiert. Befund 48 setzt sich dabei als 0,90 m tiefe Mulde mit einer sehr dichten Packung aus bis zu 0,30 m x 0,25 m großen Feldsteinen ab. Dieser Befund lag zudem in einer großen Senke, die bei der Anlage des Baggerplanums abgetragen wurde, um an darunter liegende Befunde zu gelangen. Die Grube Befund 356 ist 1,20 m tief und unterteilt sich am Boden in zwei Mulden, wobei die westliche Vertiefung eine Packung aus Steinen unter 0,15 m x 0,20 m enthält. Sowohl Befund 48 als auch Befund 356 enthielten sehr wenig Keramik in der Verfüllung.

Die Pfostengruben und mehrere Langhäuser
Über die Untersuchungsfläche verteilen sich insgesamt rund 330 Pfostengruben, die nicht unmittelbar zu einem Grubenhaus oder Gräbchensystem gehören. Es lässt sich nur ein Langhaus vollständig daraus rekonstruieren, drei weitere sichere Hausgrundrisse ziehen im Norden, Westen und Südwesten in die Grabungsgrenze. Möglicherweise lassen sich bis zu vier weitere Grundrisse erkennen, die jedoch nicht vollständig erhalten sind. Viele Pfostengruben bilden auch Ecken oder Geraden, die auf Reste weiterer Konstruktionen hindeuten, jedoch nicht näher bestimmbar sind. Die Ausrichtung der Grundrisse ist O-W bis WNW-OSO.

Der vollständige Grundriss im Süden der Fläche ist als dreischiffiges Langhaus zwischen 16 und 20 m lang und rund 6 – 8 m breit. Da sich auf Höhe dieses Langhauses Pfostengruben wie ein Gürtel über die Fläche ziehen, lässt sich dieses Langhaus nicht genau von den weniger deutlichen östlich und westlich anschließenden Grundrissen trennen. Am Südwest-Rand der Fläche zieht auf Höhe dieses Langhauses jedoch ein leicht nach Norden versetzter Grundriss in die Grabungskante. Dieser Grundriss wird von Resten neuzeitlicher Wegespuren gestört, die sich NO-SW ausgerichtet über die Grabungsfläche ziehen. Auch in die südöstliche Grabungskante scheint ein Hausgrundriss zu ziehen.

Der nächste sichere Hausgrundriss zieht im Norden in die Grabungskante. Neben einer deutlichen Hausecke mit Doppelpfosten an der Südseite ist auch ein wohl zugehöriges Wandgräbchen an dieser Seite dokumentiert. Im Süden schließt sich eine Massierung von deutlichen Pfostengruben an, die in ihrer Verteilung wiederum nicht eindeutig zu einem Haus rekonstruierbar, aber sicher auf eine Bebauung zurückzuführen sind.

In der Nordwestecke zieht ein weiteres Haus in die Grabungskante. Der Grundriss ist nicht sehr deutlich erkennbar, da in dieser recht feuchten Ecke etwas Restauflage auf den Befunden aufliegt. Die in dieser Ecke dokumentierten Gruben haben meist eine Pfostengrube im Profil, kleinere Gruben entwickelten sich zu Einzel- und Doppelpfosten. An der Ost- Seite ziehen zwei gerade und zwei leicht nach Osten gebogene Gräbchen mit drei Pfostengruben entlang, die vermutlich zu dem Haus gehören.

In der Mitte zieht sich ein weiterer O-W ausgerichteter Gürtel aus Pfostengruben über die Untersuchungsfläche. Darunter sind einige Geraden und Ecken sowie Konzentrationen von Pfostengruben zu erkennen, die möglicherweise auf zwei bis drei weitere Langhäuser schließen lassen.

Die Funde
Die Keramik reicht von grob gemagerter, dickwandiger Ware bis zu recht feiner, schwarzer Keramik mit glänzender Oberfläche. Es gibt auch wenige verzierte Scherben mit Strich- und Stichverzierung. Aus Befund 5 konnte ein fast vollständiges kleines Gefäß mit reliefierter Verzierung auf der Schulter geborgen werden. Neben vorwiegend kleinfragmentiger Keramik fanden sich in Befund 270 und 358 auch viele bis handtellergroße Scherben in der Verfüllung.

Aus der Verfüllung des Brunnens Befund 156 kam nur wenig Keramik, als besonderer Fund ist jedoch ein halber Mühlstein zu nennen. Aus der Grube Befund 111 wurden neben einem halben Mühlstein auch zwei Unterlieger und ein kleinerer geschliffener Stein geborgen. Auch auf der Brandgrube Befund 69 an dem Grubenhaus Befund 70 lag ein bearbeiteter Stein auf, vermutlich ein Unterlieger.

Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass hier sicher eine mehrphasige Bebauung mit sich überschneidenden Langhäusern vorliegt. Neben den Langhäusern sind auch vier Grubenhäuser in zwei verschiedenen Typen und ein kleinerer Hausgrundriss mit umlaufendem Wandgräbchen nachgewiesen. Etwa mittig in der Westhälfte der Fläche befindet sich ein über 2,00 m tiefer Brunnen, der die Wasserversorgung der Siedlung sicherstellte. Es gibt einige Siedlungsgruben mit teils hohem Keramikaufkommen, zwei als Steinlager genutzte Gruben und Brandgruben. Das Keramikinventar weist auf eine Besiedlung von der römischen Kaiserzeit bis zur Völkerwanderungszeit hin. In der Nordhälfte zieht ein neuzeitlicher Weg von Südwesten nach Nordosten über die Grabungsfläche und überlagert oder stört die älteren Befunde.

Die Befunddichte wird in der Nordost-Hälfte etwas geringer, im Bereich der vermutlichen Langhäuser ziehen die Verfärbungen bis an die Grabungskante heran. Die Befundlage wird sich demnach in Richtung Süden und Osten auch über die Grabungsgrenze hinaus fortsetzen, dabei jedoch stark ausdünnen. Vor allem in der Nord-Ecke ist mit einer Fortsetzung der Pfostenreihen des angeschnittenen Langhauses zu rechnen.